Der Influencer und Ex-GNTM-Teilnehmer Julian Kamps hat mit einem simplen Video eine Debatte entfacht, die längst überfällig war. Seine Frage: „Ihr wollt mir doch nicht sagen, dass das das Leben ist?“ – bezogen auf den klassischen Acht-Stunden-Tag – hat Millionen Menschen erreicht und polarisiert. Während viele ihm Faulheit unterstellen, zeigt seine Aussage vor allem eines: Die Arbeitswelt hat sich verändert. Und unsere Denkmuster hinken hinterher.
Früher: Arbeit bedeutete Präsenz
Ich selbst bin mit einer Arbeitskultur groß geworden, in der Leistung gleichbedeutend mit Anwesenheit war. Wer früh kam und spät ging, galt als fleißig. Produktivität wurde in Stunden gemessen – nicht in Ergebnissen. Und das hatte auch seinen Grund: Der technische Fortschritt war noch nicht so weit.
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Kommunikation über Briefe lief. Diese wurden per Diktiergerät aufgenommen, im Schreibbüro getippt, ausgedruckt, kuvertiert und verschickt. Frachtbriefe wurden händisch ausgefüllt, Lagerbestände auf Karteikarten geführt. Informationen brauchten Tage, um von A nach B zu gelangen. Die Arbeit war physisch, linear und ortsgebunden – und genau deshalb war Präsenz Pflicht.
Heute: Arbeit ist digital, dezentral und dynamisch
Die Generation Z arbeitet nicht anders, weil sie es möchte – sondern weil sie es kann. Der technische Fortschritt hat die Spielregeln verändert. Leistung entsteht heute unabhängig von Ort und Zeit. Kreativität, Problemlösung und Kommunikation passieren digital – oft asynchron und über Kontinente hinweg.
Was früher Tage dauerte, geht heute in Sekunden:
- E-Mails ersetzen Briefe.
- Videocalls ersetzen Meetings.
- Cloud-Dienste ersetzen Aktenordner.
- ERP-Systeme steuern Lager und Logistik in Echtzeit.
- KI übernimmt Routineaufgaben, die früher ganze Abteilungen beschäftigten.
Und das zeigt sich auch in den Zahlen: Das reale Bruttoinlandsprodukt Deutschlands hat sich seit 1980 mehr als verdreifacht – von rund 1,1 Billionen auf über 3,9 Billionen Euro. Die Zahl der Erwerbstätigen ist im selben Zeitraum nur um etwa zwei Drittel gestiegen. Das heißt: Mehr Output mit weniger Menschen – dank Technologie.
Julian Kamps als Spiegel einer neuen Realität
Wenn Julian Kamps sagt, dass ihm nach der Arbeit nur dreieinhalb Stunden zum Leben bleiben, dann ist das keine Kapitulation – sondern ein Weckruf. Die Generation Z stellt nicht die Arbeit infrage, sondern die Art, wie wir sie organisieren. Sie fragt: „Warum muss ich acht Stunden am Schreibtisch sitzen, wenn ich die gleiche Leistung in vier erbringen kann?“
Diese Frage ist berechtigt. Denn die Zukunft der Arbeit ist nicht linear. Sie ist flexibel, ergebnisorientiert und sinngetrieben. Und sie braucht keine Stechuhr, sondern Vertrauen.
- Unternehmen müssen Kontrolle durch Vertrauen ersetzen.
- Führungskräfte müssen coachen statt kommandieren.
- Arbeitszeitmodelle müssen sich an Ergebnissen orientieren – nicht an Präsenz.
- Die Gesellschaft muss anerkennen: Leistung ist nicht mehr an Ort und Zeit gebunden.
Fazit
Julian Kamps hat unbeabsichtigt einen Nerv getroffen. Nicht, weil er faul ist – sondern weil er ehrlich ist. Die Arbeitswelt von gestern passt nicht mehr zu heute. Und je schneller wir das erkennen, desto besser können wir die Arbeitswelt von morgen gestalten: digital, flexibel, menschlich.

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